Woche zehn, zwischen Himmelfahrt und Pfingsten

Sat, 23 May 2020 18:41:20 +0000 von Alexander Schreeb

Die Jünger hatten ihr Heil gefunden. Ganz sichtbar und ganz zum Anfassen. 

Denn vor noch gar nicht so langer Zeit durchlebten sie ihre große Krise.

Der Mann, der sie mutig und voller Gottvertrauen anführte, der das Wort Gottes zu den Menschen brachte und Wunder bewirkte, und der sich um sie kümmerte, der starb grausam am Kreuz

und das sprengte alles auf, woran sie glaubten und hinterließ nichts als Trauer und Furcht.

Doch dann kam die Kehrtwende.

Der Tod hatte keine Macht über den Sohn Gottes.

Jesus kam wieder in diese Welt zu denen, die so um ihn trauerten. 

Sie hatten ihr Heil, ihren Heiland wieder gefunden.


Doch ewig bleibt er nicht bei uns.

Er geht wieder zurück.

Aufgefahren in den Himmel, sitzt er zur Rechten Gottes.


Das muss er auch, damit wir eine Hoffnung haben, die großer ist als der Tod.

Das muss er auch, damit wir eine Hoffnung haben, die auch jenseits des Grabes unser Leben trägt. 

Doch einen Haken hat die Sache, er lässt uns hier zunächst allein auf Erden.


Schade eigentlich. Hier unten könnten wir ihn gerade gut gebrauchen.

Zwischen Himmelfahrt und Pfingsten. Zwischen Tür und Angel.

Denn wir könnten ihn wirklich heute hier gut gebrauchen in einer Welt, die aus den Angeln gehoben ist.


Zwischen dem blauen Himmel der letzten Tage und dem Nachhall der fürchterlichen Bilder aus New York oder Norditalien. 

Zwischen dem befreienden Aufatmen der Lockerungen und dem klaustrophobischen Stöhnen, wenn man sieht, wie voll wieder die Straßen und Einkaufsläden sind. 

Zwischen Tür und Angel stehe ich auch selber. Man hängt irgendwie in der Luft.

Ich will doch nun wieder, aber das geht noch nicht. 

Ich habe Sehnsucht nach so vielem, was mir in den letzten Woche fehlte: 

Das unbekümmerte Schlendern durch den Baumarkt.

Das Treffen mit Freuden und Familie.


Es schmerzt zu sehen und zu hören, wenn in Krankenhäusern und Altenheimen keine Besuche stattfinden und die Kinder in Schule und Kindergarten nicht gehen und nicht spielen können.


Zwischen Tür und Angel merke ich, wie verloren ich sein kann, in diesem neuen Status Quo, der mich in der Luft hängen lässt mit der Frage, wann es wieder normal weitergeht.


Dass wir zwischen Tür und Angel stehen, sind wir nicht mehr gewöhnt. 

Dreht sich doch alles sonst um das, was wir begehren und konsumieren.

Was wir planen und terminieren.

Seit dem Zweiten Weltkrieg wurde unser Land nicht mehr so ausgebremst im Wachsen und Gedeihen.

Doch damit ist nun Schluss in dieser Zwischenzeit. Corona hält uns in Atem und macht Angst.

Die Pranke der Natur hat zugeschlagen und uns wieder eingeordnet in Gottes Schöpfung jenseits des Garten Edens. 

Da hält uns die Krise auch den Spiegel vor und zeigt, wo wir die Wirklichkeit aus den Augen und aus dem Sinn verloren haben.

Auch wir sind verlassen worden: von dem Traum schneller, weiter, höher und von der Idee eine beherrschbaren Welt.

Ganz gottvergessen haben wir lange dieses unbekümmerte Theaterstück gespielt.

Nun sind wir Jünger allein und die Sorgen liegen schwer auf unseren Herzen. 


Hoffnung brauchen wir. Einen Tröster brauchen wir.

Weder die übergroße Vorsicht ist geboten, noch das Weitermachen wie bisher. 

Denn in beiden gibt man sich der Angst hin.

Ich kann mich weder daheim verstecken und dem Virus versuchen auszuweichen, denn er ist ja schon mit seinen Schreckensbildern und Alpträumen bei mir angekommen.

Ich kann auch nicht wagemutig hinausgehen und so tun als wenn nichts wäre, denn dann gefährde ich mich wirklich und andere.

Der Weg ist ein anderer.

Vielleicht auch ein Weg zwischen Tür und Angel mit dem Eingeständnis aller Ängste und Sehnsüchte.

Mit dem Mut es auszusprechen, wo ich überfordert bin.

Einen Tröster brauchen wir.

Der sagt, ihr seit nicht allein, ich bin bei euch bis an das Ende der Welt.

Der sagt, fürchte euch nicht, denn ich habe dich bei deinen Namen gerufen, du bist mein. 


An Pfingsten feiern wir, dass Gott uns nicht allein gelassen hat, sondern sein Geist mit uns ist.

Diese Hoffnung bleibt noch vor allem Grübeln und vor aller Furcht.

Ja, unser Leben bewegt sich gerade zwar zwischen Tür und Angel, aber wir hängen nicht hilflos in der Luft.

Denn Gott hält uns fest.

Er lässt uns nicht verzweifeln im allen Suchen und Fragen.

Er weiß um unsere Angst und leidet mit.

Er geht mit uns diesen Weg von Anfang bis zum Ende.

Und wie Bonhoeffer einst betete, wird er uns nicht mehr auf die Schultern legen,

als das wir tragen können.

Amen. 
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