Mein Computer musste das Wort erst lernen: „Barmherzigkeit". Das Rechtschreibprogramm kannte es noch nicht und schlug mir stattdessen vor: „Warmherzigkeit". Ich meine, es steht nicht gut um unser Miteinander, wenn „Barmherzigkeit" zu einem Fremdwort verkommen ist - nach dem Motto: „Barmherzigkeit und Mitleid bekommt man geschenkt. Neid und Respekt muss man sich verdienen."
Tatsächlich hat Barmherzigkeit etwas mit menschlicher Schwäche zu tun und bedeutet: „Beim armen Herzen sein." Barmherzigkeit rechnet damit, dass kein Mensch vollkommen ist und immer erfolgreich. Dass auch mal bei mir etwas schiefgeht und Trauer und Scham mein Herz erfüllen. Mich entlastet das. Denn ich bin nur endlich und habe keine “weiße Weste", mit der ich selbstgerecht durchs Leben gehen könnte. Schon gar nicht in den Augen von Gott. Aber das brauche ich auch gar nicht. Denn Gott ist „barmherzig und gnädig, geduldig und von großer Güte" (Psalm 103,8).
In Jesus Christus ist Gott Mensch geworden. Damit wir aufatmen können, frei geworden von Verstrickungen und Schuldgefühlen. Gottes Sohn bringt uns seinen himmlischen Vater voller Wärme und Vertrauen nahe und ermöglicht uns ein Leben aus Barmherzigkeit.
Was für ein Spielraum: Ich habe den Rücken frei, so dass ich anderen freundlich und aufbauend begegnen kann. Ich stehe auf festem Grund und kann es mir leisten, andere mit den gütigen Augen Jesu zu betrachten.
REINHARD ELLSEL